Bessere Teilzeitjobs in gemeinwohlorientierten Organisationen? Interview mit Carolin Luhnen von Talents4Good
Die allgemeine Misere für anspruchsvolle Stellen in Teilzeit ist allen Lesenden hier wohl bekannt: Obwohl Teilzeitarbeit mit einer Quote von rund 30% zunehmend die Beschäftigungslandschaft prägt, schaut es bei den Leitungspositionen ziemlich düster aus.
Nur etwa 14% der Fürhungspositionen werden in Teilzeit ausgeübt – wobei deren öffentliche Ausschreibungen noch deutlich rarer sind. Die wenigen existierenden Teilzeit-Führungspositionen werden bevorzugt intern vergeben, oft an Mitarbeitende, die beispielsweise aus der Elternzeit zurückkehren.
Ein Lichtblick sind nach meiner Beobachtung Organisationen, die nicht in erster Linie auf die Wirtschaftlichkeit abzielen: also NGOs, Vereine, Stiftungen, Sozialunternehmen, gemeinnützige GmbHs, Genossenschaften, etc. Tatsächlich sind oft die Hälfte unserer anspruchsvollen Teilzeitstellen von solchen Organisationen.
Ich habe dafür mehrere Erklärungsansätze:
- Wenn Organisationen vor allem am Menschen orientiert sind, versuchen sie auch, die besten Arbeitsbedingungen zu schaffen.
- Da diese Organisationen oft mit Ehrenamtlichen zusammenarbeiten, können sie gut damit umgehen, wenn Arbeitskräfte nicht immer verfügbar sind, sondern partiell unterstützen.
- Der Schritt in die Teilzeittätigkeit erfolgt oft nach einem Ereignis, das die Sicht auf die Welt verändert. Das ist zum Beispiel die Geburt eines Kindes, eine schwere Krankheit, oder ein Pflegefall. Deswegen möchten Leute, die nach einer Beschäftigung jenseits der Standard-40-Stunden-Woche suchen, oft auch ihre verbliebene Erwerbsarbeitszeit mit einer möglichst sinnvollen Tätigkeit verbringen. Diese finden sie häufig im sozialen Sektor oder bei Sozialunternehmen.
Es ist an der Zeit, einmal bei einer echten Expertin zu Karriere bei gemeinnützigen Organisationen und gemeinwohlorientierten Unternehmen nachzufragen, wie die Bedingungen für Teilzeitkarriere dort wirklich sind.
Diese Expertin habe ich bei Talents4Good gefunden. Diese Personalberatung hat den ganzen Markt für Jobs mit Sinn in Deutschland miterfunden und besetzt insbesondere spannende Leitungspositionen in diesem Bereich. Dort verantwortet Carolin Luhnen unter anderem die Jobbörse für Jobs mit Sinn. In ihrer Rolle steht sie im Kontakt mit Arbeitgeber:innen als auch mit Jobsuchenden. Sie ist Teil vom Leitungsteam bei Talents4Good und erfüllt diese Rolle selbst in Teilzeit.
Wie gestaltet sich die Situation in Bezug auf Teilzeitkarrieren bei gemeinnützigen Organisationen und gemeinwohlorientierten Unternehmen? Welche Beobachtungen und Erfahrungen hast du gemacht?
Teilzeitkarrieren sind in gemeinnützigen Organisationen und gemeinwohlorientierten Unternehmen weit verbreitet. Diese Organisationen bieten oft flexible Arbeitsmodelle an, um eine bessere Work-Life-Balance zu ermöglichen.
Meine Beobachtungen zeigen, dass viele Mitarbeitende diese Flexibilität schätzen, da sie es ihnen erlaubt, berufliche und persönliche Verpflichtungen besser zu vereinbaren. Zudem fördern diese Modelle die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden, was sich positiv auf die Produktivität und das Arbeitsklima auswirkt.
Bei kleineren Organisationen kann ein Teilzeitmodell auch bedeuten, eine:n Expert:in für ein bestimmtes Feld einstellen zu können, die oder der in Vollzeit nicht ins Budget passen würde.
Was können Arbeitgebende in der freien Wirtschaft von den gemeinwohlorientierten Organisationen lernen?
Arbeitgebende in der freien Wirtschaft können insbesondere in Bezug auf die Bindung von Mitarbeiter:innen viel von gemeinwohlorientierten Organisationen lernen. Diese legen in der Sache schon großen Wert auf eine sinnstiftende Arbeit und eine kooperative Unternehmenskultur.
Sie legen oft großen Wert auf moderne Arbeitskonzepte, die Flexibilität und Teamgeist in den Mittelpunkt stellen. Ihre Unternehmenskultur ist geprägt von individuellen Teilzeitmöglichkeiten und einer kollegialen Unterstützungsmentalität. Diese Ansätze können dazu beitragen, die Motivation und Loyalität der Mitarbeiter:innen zu erhöhen und gleichzeitig die Attraktivität der Organisation als Arbeitgeber:in zu steigern.
Ich vermute ja, dass die Nachfrage nach Teilzeitmodellen im Markt für Jobs mit Sinn noch höher ist als sonst. Was beobachtest du bei euren Jobsuchenden? Und wie hat sich das in den letzten Jahren verändert?
Die Nachfrage nach Teilzeitmodellen in sinnstiftenden Berufen ist tatsächlich gestiegen. Wir sehen zum Beispiel auf der Talents4Good Jobbörse, dass anspruchsvolle Jobs mit der Möglichkeit für Teilzeit und auch für remote-Arbeit, öfters angeklickt werden.
Viele Jobsuchende suchen nach einer Tätigkeit, die nicht nur sinnstiftend und intellektuell erfüllend ist, sondern auch in ihre Lebensrealität passt. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass immer mehr Menschen Wert auf Ausgewogenheit zwischen Arbeit und Privatleben legen. Gut aufgesetzte Teilzeitmodelle können hier eine optimale Lösung sein. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der zunehmenden Anzahl von Stellenangeboten wider, die flexible Arbeitszeiten und Teilzeitmöglichkeiten bieten.
Sehnen sich angesichts der großen – auch immer offensichtlicheren – Herausforderungen unserer Zeit mehr und mehr Menschen nach einem Job mit Sinn? Sind aus deiner Sicht Teilzeitjobs mit Sinn die Zukunft?
Ja, angesichts der globalen Herausforderungen wie Klimawandel, soziale Ungleichheit und wirtschaftliche Unsicherheit suchen immer mehr Menschen nach einem Job mit Sinn. Teilzeitjobs mit Sinn bieten die Möglichkeit, einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, ohne dabei die eigene Lebensqualität zu vernachlässigen.
Diese Jobs ermöglichen es den Menschen, ihre beruflichen Fähigkeiten und Leidenschaften in Einklang zu bringen und gleichzeitig Zeit für persönliche Interessen und Familie zu haben. Ich glaube, dass Teilzeitjobs mit Sinn eine wichtige Rolle in der Zukunft der Arbeitswelt spielen werden, da sie den Bedürfnissen moderner Arbeitnehmer:innen gerecht werden.
Vielen Dank für das Interview, liebe Carolin. Vielleicht dient der Trend zu anspruchsvollen Teilzeitpositionen als Katalysator, um schneller mehr Menschen für sinnstiftende Tätigkeiten zu begeistern?
Wer jetzt direkt mal auf der Jobbörse von Talents4Good stöbern möchte, hier geht’s entlang.
Fotocredit: Copyright Talents4Good