Warum immer mehr Menschen der Corporate World den Rücken kehren
Inhalt
Auszug aus einem Gespräch mit einer jungen Führungskraft, die gerade ihren Job geschmissen hat:
„Was möchtest du denn jetzt machen?“
„Ich weiß nicht, vielleicht irgendwas Selbständiges. Vom Angestellt arbeiten habe ich erstmal die Nase voll.“
Solche Sätze höre ich immer wieder. Gerade von jüngeren Menschen, die erste einige Jahre im Job waren. Sie sind mit ihren Idealen und Ideen in die Arbeitswelt gestartet, relativ schnell aufgestiegen und haben vielleicht bald auch Verantwortung für andere übernommen. Gleichzeitig sehen sie sich mit Führungskräften konfrontiert, die nicht nach ihren Werten agieren. Sie stoßen er auf beinharte Kontrollfreaks, hilflose Sozialromantiker und mehr oder weniger ausgeprägte Narzissten.
Engagierte Mitarbeiter*innen verlassen die Unternehmen
Klar, nicht alle Führungskräfte sind so. Aber es scheint da draußen doch (immer noch) relative viele von dieser Sorte zu geben. Denn ich kann absolut verstehen, dass so eine Arbeitserfahrung nicht gerade zur Begeisterung für das angestellte Arbeiten führt. Gleichzeitig ist es naiv zu denken, in einer selbstständigen Tätigkeit wird alles besser. Vor allem dann, wenn die Selbständigkeit eine Flucht von der Alternative des angestellt seins ist.
Warum das ein Problem darstellt? Weil wir diese engagierten und idealistischen Mitarbeiter*innen in den Unternehmen brauchen, um sie innovativ zu halten und resilient gegenüber äußeren Einflüssen zu machen. Mitarbeiter*innen, die Neues in die Organisationen bringen und etwas bewegen wollen. Mitarbeiter*innen, die an der Vision des Unternehmens teilhaben wollen. Diese Menschen wollen anders geführt werden. Sie brauchen Raum, Zeit und Unterstützung dabei, ihren Weg zu finden. Und als Führungskräfte entsprechende Rollenvorbilder.
Fehlende Rollenvorbilder
Wenn diese fehlen, wird es schwierig. Denn wir Menschen lernen am besten durch Nachahmung. Wir beobachten andere und übernehmen von ihnen die Verhaltensweisen, die uns weiterbringen. Werde ich in meinem Arbeitsalltag aber nur mit Negativbeispielen konfrontiert, entstehen Frust und Hilflosigkeit. Oder aber die Nachahmung dessen, was ich erlebe, passt nicht zu meinen inneren Werten und Überzeugungen. Dann droht Motivationsverlust oder sogar Burn-Out.
Positive Rollenvorbilder in Form von authentischen und empathischen Führungskräften können unglaublich viel bewirken. Das habe ich selbst erlebt. Sie strahlen auf die ganze Organisation aus und geben nachkommenden Führungskräften Orientierung. Was wenn diese aber fehlen?
Klar, auch ich verdiene unter anderem mein Geld damit, dieses Vakuum zu füllen. Aber kann das allein die Lösung sein? Aus meiner Sicht nicht. Denn erfolgreiches Coaching in der Organisation funktioniert nur dann, wenn die Rahmenbedingungen Entwicklung zulassen. Und dazu braucht es Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter*innen unterstützen. Ansonsten werde externe Unterstützungsangebote zu Frust-Ablade-Sessions und kosmetischen Maßnahmen. Und daran kann eigentlich niemand Interesse haben – weder mein Kunde noch ich.
Was nun?
Den Mitarbeiter*innen möchte ich zurufen ‚Haltet durch und bleibt bei euren Werten und Idealen. Verändert die Organisationen von innen zum Besseren.‘ CEOs und Geschäftsführern möchte ich sagen ‚Hört den Menschen zu. Vor allem denjenigen, die euer Unternehmen verlassen (wollen).‘
Ich bin davon überzeugt, dass Veränderung nur aus zwei Antrieben heraus gelingen kann. Und zwar Neugier oder Schmerz. Nur wenn auf Seite der Unternehmen der Schmerz zu groß ist, wird sich etwas verändern. Und vielleicht ist es dann schon zu spät – zumindest für dieses Unternehmen. Sicher, einige sind auch von der Neugier getrieben und gehen bereits heute neue Wege. Gefühlt sind das aber die Wenigeren.
Vorbild sein und Vorbilder entstehen lassen
Ich weigere mich, meine Gedanken mit diesem düsteren Ausblick abzuschließen. Deshalb bin ich dafür, möglichst viele Unternehmen neugierig auf Neues zu machen. Und die darin liegenden Möglichkeiten zu zeigen. Das das immer auch mit Unsicherheit und der Angst vor dem Verlust des Status Quo verbunden sein wird, darf kein Tabu sein
Denn wenn etablierte Führungskräfte sich mit ihren Befürchtungen und Unsicherheiten auf etwas Neues einlassen können, kann eine Transformation gelingen. Und auch dafür braucht es Vorbilder. Umso mehr Beispiele zum Thema werden, in denen dieser Wandel gelungen ist, desto mehr Nachahmer wird es geben.
Früh anfangen
Gleichzeitig sollten wir junge Menschen besser auf die Herausforderungen der Arbeitswelt vorbereiten. Klar, die fachliche Qualifikation ist wichtig. Junge Führungskräfte brauchen aber noch etwas anderes: Methodische Kompetenz und das Wissen darüber, wie sie mit Widerständen und Konflikten konstruktiv umgehen können. Wie sie damit umgehen können, wenn ihre Werte sich nicht mit den gelebten Werten in der Organisation decken. Diese Kompetenzen können nicht zu früh vermittelt werden – lasst uns in den Schulen damit anfangen. Denn von davon können wir als Gesellschaft nur profitieren.
Mein Wunsch wäre es öfter mal so einen Satz zu hören:
„Ich habe einen tollen Job gefunden, in dem ich als Mensch mit meinen Fähigkeiten geschätzt werde und mich weiterentwickeln kann.“