Selbstorganisation – Keimzellen in hierarchischen Organisationen schaffen
Wenn es um New Work geht, fällt im nächsten Atemzug auch der Begriff Selbstorganisation. Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche. Was Selbstorganisation bedeutet und wie man sie in hierarchischen Organisationen umsetzten kann, ist Thema dieses Beitrags.
Das Konzept der Selbstorganisation ist ein zentrales im New Work Kontext. Der Begriff in seiner systemtheoretische Bedeutung beschreibt eine Form der Systementwicklung, bei der formgebende oder gestaltende Einflüsse von den Elementen des Systems selbst ausgehen. In Prozessen der Selbstorganisation werden höhere strukturelle Ordnungen erreicht, ohne dass äußere steuernde Elemente vorliegen. Aha.
Was ist Selbstorganisation?
Was ist damit in Bezug auf Unternehmen gemeint? Hier wird eine Form der Zusammenarbeit beschrieben, die keiner hierarchischen Kontrolle unterliegt. An die Stelle von Hierarchien treten transparente Verantwortlichkeiten und Entscheidungskompetenzen, die kompetenzbasiert vergeben werden. Die Organisation selbst verfolgt einen gemeinsamen Zweck (‚Purpose‘) und gemeinsame Ziele, an denen sich Individuen ausrichten können.
Viele Wege führen nach Rom – und in die Selbstorganisation
Selbstorganisation kann man sich aus zwei Richtungen nähern – aus einer bestehenden Hierarchie oder einer losen Strukturen heraus. Beides bringt Herausforderungen mit sich. Die bewahrende Energie hierarchischer Organisation aufzuhebeln kostet viel Kraft. Auf der anderen Seite stelle ich es mir genauso anstrengend vor, eine Gruppe freier Radikale in eine neue Ordnung zu bringen.
In hierarchischen Organisationen führt ein Weg in die Selbstorganisation über Keimzellen. Einzelne Teams entwickeln sich im Rahmen des Möglichen zu selbstorganisierten Einheiten. Wenn das klappt, wird ein positiver Sog in andere Bereiche der Organisation erzeugt. Denn erfolgreiche Muster finden Nachahmer. Die Kunst ist, das Pflänzchen Selbstorganisation ‚durch den ersten Winter‘ zu bringen. Denn neue Arbeitsmodelle sind angreifbar, weil sie nicht von Anfang an reibungslos funktionieren werden. Und das bietet Angriffspunkte.
Klar, es gibt auch Beispiele von Organisationen, die den Big Bang wählen und die komplette Organisation auf einmal umstellen. Das kann gelingen, wenn die Geschäftsführung mit ihrer ganzen Kraft und Energie hinter diesem Projekt steht. Ist mir ist in meinem bisherigen Arbeitsleben noch nicht begegnet. Hingegen habe ich laufend mit Menschen zu tun, die etwas an der Art und Weise wie in ihren Teams gearbeitet wird, verbessern wollen.
Keimzellen der Selbstorganisation
Wenn ihr eine Keimzelle der Selbstorganisation in einer hierarchischen Organisation werden wollt, sind folgende Faktoren wichtig:
- Sponsorship: Das klingt zunächst einmal paradox. Aber wer Selbstorganisation in hierarchischen Strukturen erfolgreich etablieren möchte, braucht die Unterstützung der Hierarchie. Ohne einen starken Sponsor in der Organisation, geht in hierarchischen Systemen nichts. Dieser Unterstützer wird früher oder später seine schützende Hand über die Keimzelle halten müssen – denn das alles sofort und total glatt läuft, ist unrealistisch. Dafür darf er/sie sich später dann auch die Lorbeeren dafür ernten.
- Musterbruch: Die meisten von uns sind in hierarchischen Organisationen ‚groß geworden‘. Deren Mechanismen sind lange Jahre geübt und haben Verhaltensmuster bei uns ausgeprägt. Diese Muster zu durchbrechen, ist harte Arbeit. Sowohl für Mitarbeiter*innen als auch für Führungskräfte. Schnell ist aus Gewohnheit eine Entscheidung getroffen, obwohl die Verantwortung inzwischen woanders im Team angesiedelt ist. Oder die Entscheidung an den Chef zurückdelegiert, weil es jetzt doch irgendwie heikel wird. Das Ausprägen neuer Muster und Gewohnheiten ist eine Teamaufgabe, die von allen gemeinsam getragen werden muss.
- Mut: Etwas anders als die meisten andern zu machen, braucht Mut. Denn mit neuen Ansätzen lege ich mich erstmal aus dem Fenster. Wenn es gut geht, haben das alle immer schon gewusst. Und wenn nicht, auch. Also die passenden Rahmenbedingungen schaffen und dann loslegen.
- Coaching: Fachberatung kann hilfreich sein, wenn eine Organisation nach ‚best pratices‘ und erfolgreichen Mustern sucht. Im Endeffekt wird es aber immer erforderlich sein, diese Muster an den eigenen Bedarf und die eigene Kultur anzupassen. Diese Aufgabe kann uns niemand abnehmen. Für essenziell halte ich ein bedarfsorientiertes Coaching. Wenn das Team in einer Frage nicht weiterkommt oder sich ineinander verhakt hat, ist methodische Unterstützung gefragt. Ob diese dann aus der Organisation kommt oder von außen hinzugezogen wird, ist zweitrangig.
Der inkrementelle Weg von der Hierarchie in die Selbstorganisation ist sicher kein leichter. Eher ziemlich steinig, wenn ich ehrlich sein soll. Aber es loht sich für alle, die wie ich mit dem Status quo nicht zufrieden sind und neue Wege gehen möchten.